Stillstand bei der Mobilitätswende?
Der Beschluss des Stadtrats zur Gründung des Beirats Mobilität wird die Struktur der Verkehrs-Beiräte in Jena nachhaltig verändern. Dafür wird der Beirat Radverkehr aufgelöst.
Der Beirat Radverkehr als sehr gut funktionierendes, fachlich arbeitendes Gremium wird ohne Not abgeschafft. Er war in vielen Punkten Vorreiter: einer der ersten Beiräte der Stadt Jena, einer der ersten mit breiter, ausgeloster Bürgerbeteiligung und ein sehr aktives Gremium, das durch den Austausch und die Beratung mit Akteuren der Stadtverwaltung für manche Verbesserungen der verkehrlichen Planungen und der Fahrradinfrastruktur der Stadt gesorgt hat.
Beirat Mobilität: Ausgleich oder Bremse?
Ersetzt wird dieses Gremium nun durch einen Beirat Mobilität, der einen „Ausgleich“ zwischen den Verkehrsarten erarbeiten soll - eine Aufgabe, die in den Verantwortungsbereich der politischen Vertretung der Bürgerschaft fallen sollte, etwa durch die Festlegung von klaren Prioritäten. Andreas Seher vom ADFC meint: „Das Kalkül einiger Politiker dürfte hier sein, die wachsende Bedeutung des Radverkehrs sowohl im Verkehrsaufkommen als auch durch politische Erfolge wie den Stadtratsbeschluss zum Radentscheid im „vorpolitischen Feld“ deutlich abmildern zu wollen.“ Michael Böhringer vom Vorstand des ADFC ergänzt: „Die Idee, stattdessen die fachliche Vertretung der einzelnen Verkehrsarten in untergeordneten Arbeitsgruppen zu organisieren, wird mit diesem Beschluss, der eine ständige Präsenz und Mitarbeit der Verwaltung in den Arbeitsgruppen ablehnt, verhindert.“
Im Gegensatz zum Kfz-Verkehr, dessen Rahmenbedingungen durch die gesetzlichen Regelungen immer noch vorrangig sind, haben die anderen Verkehrsarten wenig Handhabe und Sichtbarkeit in der Gestaltung der Verkehrsinfrastruktur. Beiräte sind hier für Rad- und Fußverkehr ein Mittel, durch ihr Erfahrungswissen auf Problemstellen hinzuweisen und Vorschläge für bessere Lösungen zu erarbeiten.
Innovative Ideen gehen bei zu vielen gegensätzlichen Interessen verloren
ADFC-Vorstand Michael Böhringer meint: „Viele Diskussionspunkte betreffen jeweils nur eine Verkehrsart. Im ungünstigsten Fall finden sich für gute Vorschläge im neuen Beirat keine Mehrheiten, wodurch die Stadtverwaltung einen wichtigen Lieferanten für gute Ideen verliert.“ Dabei ist erwiesen: ein Umstieg auf nachhaltige Mobilitätsformen gelingt nur, wenn diese einfach und sicher zu nutzen sind. „Gerade die Jüngsten, die Mobilität erst lernen, profitieren von geschützten Bereichen und sicheren Wegen, die sie sich zu Fuß oder mit dem Rad erschließen können. Wer die Welt nur aus dem Auto kennenlernt, wird dies auch als Erwachsener oft nur reproduzieren können“ ergänzt Andreas Seher. Die Situation auf Jenas Straßen verharrt bei verkehrspolitischem Stillstand: alle, die heute schon Teil des Stau-Problems sind, werden das auch in Zukunft sein.