
Radfahrerin im dichten Verkehr. © ADFC/ April Agentur
Nebelkerzen fürs Greenwashing
Am 12.11.2025 hat die TLZ den zweiten Teil eines Interviews mit dem Jenaer Oberbürgermeister Nitzsche veröffentlicht. Diese Rückschau auf die geleistete Arbeit ist vor allem in Bezug auf die Mobilität in Jena eine Nebelkerze vom Feinsten.
An vielen Stellen wird so getan, als ob die Stadt jetzt endlich die Forderungen aus dem Radverkehrsplan 2035+ umsetzt und Herr OB Nitzsche klopft sich auf die Schultern. Jedoch werden weitestgehend Vorhaben umgesetzt, die wenig kosten. So hebt Nitzsche die Freigabe von Einbahnstraßen in Gegenrichtung besonders hervor. Dabei ist diese Maßnahme in der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung (VwV-StVO) 2021 ohnehin zum Regelfall geworden und soll umgesetzt werden. Eine besondere Förderung des Radverkehrs, z.B. durch die dringend benötigte Schließung von Lücken im Radverkehrsnetz oder bessere Trennung vom Fußverkehr, ist aus diesem Umstand nicht abzuleiten.
Auch bei der Verwendung von Radverkehrsmitteln lohnt sich eine nähere Untersuchung: So erfolgte z.B. der Ausbau am Stadion vorrangig für die Verbesserung der Zuwegung des Stadionneubaus, wurde aber signifikant aus Radverkehrsmitteln „querfinanziert“. Das Ergebnis ist eine Verschlechterung der Nutzbarkeit für die höchst-priorisierte und -frequentierte Radroute in Jena. Die Verkehrssicherheit für Radelnde hat sich an der Stadionzufahrt deutlich verschlechtert: Vorfahrt am Stadion für die Hauptradroute? Fehlanzeige. Zusätzlich werden durch ordnungswidrig parkende Autos am Sportforum weitere Gefahrenquellen erzeugt. Hier wurden also Mittel aus dem Topf für den Radverkehr an andere Projekte vergeben und damit auch noch die Situation für den Radverkehr verschlechtert.
Eine Unverschämtheit ist Nitzsches Kommentar zum Ausbau des ÖPNV, dem gerade erst knapp 500.000 € sowie 14 Planstellen beim Fahrpersonal gekürzt wurden. Wie der ADFC zeigte, hat sich die Wirtschaftskraft Jenas dadurch wahrscheinlich um ca. 1,5 Millionen € verringert. Ist das eine „ausgewogene“ Förderung des ÖPNV? Die Menschen, die von den Fahrplanausdünnungen und Linien-Streichungen betroffen sind, werden das wohl zurecht anders sehen.
Zusätzlich wird am Bau einer überflüssigen Stadtautobahn festgehalten, trotz Abnahme des Autoverkehrs auf 25 % der zurückgelegten Wege und rückgängigem KFZ-Bestand. Der Ausbau der sog. Osttangente wird das Stauproblem nicht lösen: Verkehrsströme verlagern sich nicht, da die Ost-West-Verbindung nicht verbessert wird und die Hauptstauursachen in der übrigen Stadtstruktur liegen. Stadtbedienstete am Anger würden bestätigen: Während der Rushhour gibt es nur kurze Stauereignisse, die schnell wieder abklingen. Kein Ausbau der Straßeninfrastruktur wird die Staugefahr nachhaltig verringern. Im Gegenteil, der Konsens der modernen Verkehrsforschung besagt: Wer mehr Straßen baut, wird mehr Verkehr ernten!
Zusammenfassend lässt sich sagen: Wer jetzt dieselben Pseudo-Lösungen anstrebt, die auch in den letzten 35 Jahren schon nicht funktioniert haben, wird dasselbe Ergebnis ernten! Herr Nitzsche möchte sich mit seinen Worten als OB „für alle“ präsentieren, macht aber lediglich Politik für die Autofahrenden. Deren Situation verbessert sich durch diese Maßnahmen jedoch auch nicht. Hier wird Politik für das unbelebte Blech und nicht für die Bürger Jenas gemacht.
In der Schule hätten wir gesagt: am Thema vorbei, 6, setzen. Suchen sie bitte echte Lösungen, die Jenas Lebensqualität und Wirtschaftskraft auch wirklich voranbringen.