Stellungnahme zum tätlichen Angriff auf die Radfahrerin in der Ringwiese

Reaktion auf den Artikel "Beherzt freigeben oder sperren" in der TLZ vom 18.7.23

© ADFC Jena-Saaletal

Mit Entsetzen hat der ADFC Jena-Saaletal den brutalen Angriff auf eine Radfahrerin am Abend des 9.7. zur Kenntnis genommen. Vielen Radfahrenden sind verbale Pöbeleien und Bedrängen durch Autofahrende bei ordnungsgemäßer Fahrt auf der Fahrbahn allerdings nicht unbekannt, sei es aus Unkenntnis der geltenden Regeln, oder egoistischen Ansprüchen auf ein vermeintliches Recht des Stärkeren auf maximale Geschwindigkeit.

Gewalt hat keinen Platz im Straßenverkehr! §1 der Straßenverkehrsordnung regelt klar, dass Rücksicht auf andere Verkehrsteilnehmer geboten ist, unabhängig von deren Verkehrsmittel. Daraus folgt, dass den Umständen angepasst auch langsamer gefahren werden muss. Im Kontext betrachtet: auch die Straßenbahn muss regelmäßig langsamer fahren oder kommt im Berufsverkehr komplett zum Stillstand, wenn sich z. B. die zahlreichen Elterntaxis zur Universaale-Schule vor der geschlossenen Bahnschranke an der Mühlenstraße bis weit auf die Kahlaische Straße stauen. Sollte deshalb etwa die Einfahrt in diese Straße für Kraftfahrzeuge verboten werden?

Eine (rechtlich nicht begründbare) Sperrung der Fahrbahn für den Radverkehr würde den Konflikt mit dem Kraftverkehr lediglich verlagern auf die schwächeren Verkehrsteilnehmer:innen, die sich nicht-motorisiert zu Fuß oder mit dem Rad fortbewegen. Tatsächlich musste die ehemals existierende Freigabe des Gehwegs in der Kahlaischen Straße für den Radverkehr aufgrund nicht regelgerechter Breite nach Beschwerden aufgehoben werden. Ohnehin müsste auf einem für das Rad freigegebenen Gehweg mit „Schrittgeschwindigkeit“ gefahren werden, und fahren auf der Fahrbahn wäre weiterhin erlaubt.

Die Fahrt zwischen Puschkinplatz und der Ringwiese dauerte mit dem Rad auf dem freigegebenen Gehweg nun deutliche 12 Minuten länger als mit 20 km/h auf der Fahrbahn. Kraftfahrzeuge brauchen hingegen lediglich 3 Minuten mehr, könnten sie auf der gesamten Strecke nur mit 20 statt 50 km/h fahren!

Der als Alternative empfohlene Burgauer Weg hat neben den Bedenken bei der Benutzung nach Einbruch der Dämmerung aus Radverkehrssicht deutliche Nachteile: er ist von Norden und Westen her schlecht zu erreichen. Egal ob Paradiesbahnhof, Knebelstraße, Puschkinplatz, Felsenkeller, Mühlenstraße: überall müssen Radfahrende absteigen, an Ampeln oder am Bahnübergang oft lange warten und schieben. Wer jetzt sagt, "dann müssen sie halt mal schieben", sei an den maximal 3 Minuten längeren Aufenthalt in seinem komfortablen Fahrzeug erinnert. Und schließlich: sowohl an der Kahlaischen Straße als auch in Seitenstraßen wohnen und arbeiten Menschen, die auf das Fahrrad als Fortbewegungsmittel angewiesen sind. Wie anders als über die Kahlaische Straße sollten sie den Burgauer Weg erreichen?

Wir wünschen der betroffenen Radfahrerin eine vollständige Genesung von diesem Angriff und fordern hiermit die Stadt Jena auf, tätig zu werden, um die Akzeptanz des Radfahrens zu erhöhen: z. B. kann eine Kennzeichnung mit Piktogrammen das regelkonforme Fahren auf der Fahrbahn verdeutlichen.
Langfristig ist es notwendig den Verkehrsraum so umzugestalten, dass sich alle am Verkehr Teilnehmenden sicher fühlen. Den Vorfall sehen wir aber auch als Anlass, die Stadt daran zu erinnern, die im Stadtratsbeschluss „Bessere Bedingungen für den Radverkehr in Jena bis 2030 schaffen“ beschlossenen jährlichen Kampagnen zielgerichtet durchzuführen und zu zeigen, dass eine zukunftsgewandte und klimafreundliche Mobilität ungefährdeten Rad- und Fußverkehr benötigt!


https://jena.adfc.de/neuigkeit/stellungnahme-zum-taetlichen-angriff-auf-die-radfahrerin-in-der-ringwiese

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